Gigant der Tillandsien blüht ein einziges Mal im Leben

Nach Jahrzehnten entfalten sich die Knospen

Zwischen Steineibe, Riesenbambus und Moosfarn bahnt sich im Wintergarten der Wilhelma in Stuttgart derzeit eine botanische Besonderheit von außergewöhnlichem Ausmaß an: Nach über 20 Jahren Entwicklungszeit steht die Tillandsia grandis des Zoologisch-Botanischen Gartens kurz vor ihrer Blüte. Das Bromeliengewächs ist ein Vertreter der größten Art aus der Gattung Tillandsia und beeindruckt schon jetzt mit einer stattlichen Höhe von 2,87 Metern.

Bereits 1995 hatte der Zoologisch-Botanische Garten die Tillandsia grandis aus einer Privatsammlung übernommen. Eine Jungpflanze dieser Art hat Ähnlichkeit mit einer Trichterbromelie, deren Blattrosette an einen Kronleuchter erinnert. Erst wenn sie nach vielen Jahren auf ihre Blütezeit zugeht, wächst aus ihrer Mitte der Blütenstand senkrecht empor, an dem sich die Knospen ährenförmig aufreihen. Dabei kann sie eine Höhe von bis zu 3,50 Meter erreichen. Auch die Tillandsie der Wilhelma ist nun in den vergangenen Wochen auffällig nach oben geschossen – ein sicheres Zeichen, dass bald mit ihrer Entfaltung zu rechnen ist. Der genaue Zeitpunkt lässt sich allerdings nicht bestimmen. „Da diese Tillandsienart bisher noch nie bei uns geblüht hat, können wir auch nicht auf Erfahrungswerte zurückblicken“, erklärt Wilhelma-Gärtnerin Gabriele Dopatka. „Der Blütenstand wächst außerdem sehr langsam, da es hier relativ kühl ist.“ Dabei ist die Tillandsia grandis in der Pflege eigentlich recht anspruchslos. Sie gehört wie alle Tillandsien zu den Aufsitzerpflanzen und gedeiht vornehmlich an steilen Felshängen von Mexiko bis Nicaragua in Höhenlagen von 800 bis 1500 Metern. „Die Pflanze bildet Haftwurzeln aus, die tief in die Felsspalten reichen“, sagt die Gärtnerin. „Sie verbinden sich geradezu mit den Steinen. Nährstoffe nehmen sie nicht über die Wurzeln, sondern über die Blätter auf.“ Im Inneren des Blatttrichters sammelt sich Regenwasser, womit die Tillandsien auch trockene Zeiten gut überstehen.

Die erste Knospe in zartem Hellgelb entfaltet die Tillandsia grandis vermutlich in tiefer Dunkelheit. Denn die Riesenpflanze blüht vor allem nachts. Bestäubt wird sie nämlich von Fledermäusen, die sich an Nektar und Pollen laben. Dann beginnt die Bromelie langsam mit der Vermehrung, indem sie seitliche Ableger – die sogenannten Kindel – ausbildet. Die Mutterpflanze selbst bildet sich zurück, womit ihr Lebenszyklus nach nur einer einzigen Blütezeit endet. Diese ist dafür besonders ausdauernd. „Die Tillandsie trägt viele einzelne Blüten, die sich nur einen Tag öffnen, aber der Reihe nach aufgehen“, meint Gabriele Dopatka. „Der ganze Blütenreigen wird sich bei uns vermutlich bis in das nächste Jahr ziehen.“ Für die Wilhelma-Besucher bleiben somit noch reichlich Gelegenheiten, dieses seltene Naturschauspiel zu bewundern.